Dangerous Visions - Es liegt in deiner Hand by Pike Aprilynne

Autor:Pike, Aprilynne
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: cbj Verlag
veröffentlicht: 2015-02-04T16:00:00+00:00

20

Ich stelle mich mühsam auf die Beine und mache versuchsweise einen Schritt vorwärts. Es scheint, ich hatte recht mit dem Nickerchen und der Konzentration, denn ich bin eindeutig hier. Der Boden ist wie ein Spiegel, und er wird von einer riesigen Kuppel überspannt, die mit Reihen um Reihen einer Art Filmszenen überzogen ist – die alle mit niedriger Lautstärke ablaufen, sodass es wie ein Summen klingt, wenn sich alle vermischen.

Blinzelnd konzentriere ich mich ein paar Sekunden auf eine, und die Kuppel bewegt und dreht sich, bringt mir dieses Bild näher. Was mich komplett desorientiert, sodass ich auf die Knie falle, die Hände auf der glatten Bodenfläche ausgebreitet, um mich daran zu erinnern, wo oben und wo unten ist. Ich fühle mich verloren und benommen.

Ich mag das nicht.

Aber ich bin jetzt hier. Was soll ich tun?

Ich beginne damit, mich zu erden. Setze mich hin, strecke die Beine aus und breite die Finger weit auf dem glasartigen Boden aus. »Unten«, sage ich zu mir selbst. »Das ist unten und das werde ich mir merken.«

Ich erinnere mich an den Fokusstein, und als ich den Kopf senke, sehe ich ihn um meinen Hals hängen. Wahrscheinlich, weil er dort auch war, als ich eingeschlafen bin. Ich umschließe ihn mit der Hand, klammere mich an den einzigen vertrauten Gegenstand in dieser seltsamen Welt. Dann schaue ich wieder hinauf in die endlose Kuppel von Bildern über mir und wähle zufällig eines aus. Ich konzentriere mich darauf, während sich die Kuppel dreht und es vor mir anhalten lässt.

Es ist ein Mädchen von der Schule, das zu Hause mit seinen Eltern streitet. Ich schaue eine Weile zu, aber solange das Mädchen nicht die Person ist, die gestern gestorben ist, bin ich nicht interessiert.

Smith sagte mir, ich müsste die Dinge in meinen Träumen leichter manipulieren können als in Visionen. Da ich es endlich geschafft habe, eine gewisse Konzentration aufrechtzuerhalten, beschließe ich, das zu versuchen. Kann ich hier die Antworten bekommen, die ich brauche? Smith sagte, dies sei jede mögliche Zukunft, aber was ist mit der Vergangenheit? Kann ich auch die Vergangenheit sehen?

Ich denke an die Nachrichten von heute Morgen. Ich stelle mir die Szene vor und versuche, jede Einzelheit zu greifen, an die ich mich erinnern kann. Die Grasbüschel, die durch den Schnee nach oben stechen, die Reporterin, die auf einem Schlammfeld voller Fußspuren steht. Als ich die Augen öffne, dreht sich die Kuppel, und der Tatort kommt auf mich zu.

Ich unterdrücke ein Gefühl des Triumphs und konzentriere mich auf das Viereck. Es ist nicht ganz dasselbe, wie es in den Nachrichten zu sehen war – es ist unbearbeitet. Die Reporterin betupft sich mit einem Tuch die Augen und eine Assistentin steht mit einer Puderquaste daneben. Kurz darauf nickt die Reporterin und die Assistentin pudert ihr die leicht gerötete Nase mit Make-up ab. Dann holt die Reporterin tief Luft und wendet sich wieder der Kamera zu.

Ist das die Vergangenheit? Die Szene sieht anders aus.

Es trifft mich wie ein Schlag in den Magen.

Der Leichnam ist weg.

Das ist nicht die Vergangenheit. Es könnte die Gegenwart sein.

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